Brief an meine erste Psychotherapeutin




Sehr geehrte Frau Dr. Kleinke,
mein Name ist Annette Mentz, 28 Jahre alt. Ich war mit ungefähr 16 Jahren bei Ihnen in Behandlung. Meine Diagnose damals: Depression.
Meine Diagnose wurde bald zur Schizo-Affektiven Störung (Anteilig Depression, Manie und Psychose).
Heute bin ich jedoch gut medikamentös eingestellt. Ich habe kaum Nebenwirkungen und ich kann das Leben in seiner ganzen Fülle und Tiefe endlich ohne Gedankenspiralen, Selbstzweifel und Lebensmüdigkeit genießen.

Ich fühle mich so zutiefst zum Dank an alle - jedem einzigen Menschen, dem ich in meiner bisherigen Verweilzeit auf der Erde begegnet bin- verpflichtet; Ihnen auch.
Sie konnten mir zeigen, dass meine Gedankenverstrickungen sich auflösen konnten. Ich erinnere mich an lange Unterhaltungen über die komischsten Dinge.
Ich erinnere, dass ich die Themen: Zwänge, Perfektionismus, Selbstfindung und das Kreieren meines Selbst mitbrachte.
Nach jeder Stunde konnte ich für eine Weile wieder Farben sehen (Die Pflanze in ihrem Raum fiel mir mehr auf - ihr Grün schien grüner zu sein als bisher!)
Überhaupt zu erfahren, dass es Krankheiten der Psyche gab war so neu und unbekannt für mich.


DANKE, dass sie mir geholfen haben, mich anderen Menschen zu öffnen.


Der offene Umgang mit meiner Erkrankung ist der Schlüssel zu meinem psychischem Wohlbefinden und hilft mir, Menschen anders als zuvor zu begegnen.
So eine krasse Lebensqualität verdanke ich meiner Geschichte nach dem Motto "What doesn't kill you makes you stronger/happier".
Ich habe das Gefühl, so dermaßen meine Tiefen erkundet zu haben, dass kaum Platz für Sichtweisen, die mich runterziehen, ist. Irgendwie habe ich überall hingeleuchtet und die gemein-aussehenden Schatten entpuppten sich als Helfer. Die Teufel und Dämonen waren schon immer da, um mir zu zeigen, wo ich hingucken musste, um zu wachsen bzw so zu werden, wie ich heute bin. Ja sie zwangen mich, meine Abgründe zu erforschen. Nicht schön, aber so lohnenswert.
Ich denke, die Krux an dem Beruf als Psychologin, besonders Kinder- und Jugendpsychologin, ist, dass sie Menschen kaum wieder zu sehen oder zu hören bekommen, die sich Ihnen so seelisch entblößten, um zu erfahren, wie es ihnen inzwischen geht. Vielleicht fragten sie sich, was eigentlich aus der selbstunsicheren, verwirrten Annette Mentz passiert ist?
Nun wissen sie: es geht mir so gut.

DANKE für ihre Mühe damals mit mir.

DANKE

Ich kann heute wieder aus Liebe zum Leben lächeln - welch großes Geschenk (Lächeln war damals ein so großes Ding, ja gar nicht toll damals).

Mit den aller besten Grüßen,

Annette Mentz

Comments

  1. Unfassbar aufrichtige, wunderbare Worte! Ein großes Kompliment an Dich selbst, denn den Weg bis dahin bist Du selbst gegangen! Viele Zeilen treffen mein innigstes Gefühl dem Leben gegenüber!
    "An einem Tag wird es enden, aber an allen anderen nicht!" Und deshalb sollten wir all diese anderen Tage- an jedem einzelnenTag- LEBEN!!
    Käthe

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  2. This comment has been removed by the author.

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